Lies Mahicans Geschichte:
Ich bin 38 Jahre alt, Ärztin mit mehr als 10 Jahren Erfahrung, Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen, geboren in der Türkei und aufgewachsen in Holland mit streng muslimischen Eltern.
Das erste Mal, das ich alleine nachts weg war, war ich 23 Jahre alt, und ich lief von zuhause fort hin zu meinem holländischen Freund. Meine Familie akzeptierte ihn nicht, und das blieb so bis zu unserer Hochzeit 5 Jahre später (2008), als wir uns einander wieder annäherten.
2009 bekamen wir Arbeit in Dänemark, zum Teil auch um räumlich mehr Abstand zu meiner Familie zu haben, die unglaublich nett ist, aber andererseits auch viel Einfluss auf alles haben will. Das wurde sehr deutlich, als wir 2009 unseren ersten Sohn Michael bekamen. Er sollte nach ihrer Meinung beschnitten werden – selbstverständlich.
Michael hatte bei der Geburt einen Herzfehler, und die ersten Monate seines Lebens waren wir im Krankenhaus, wo er operiert wurde, und wir wussten nicht, ob wir ihn behalten würden. Es war genau diese Erfahrung, die mir die Kraft gab, NEIN zur Beschneidung zu sagen. Man schneidet nicht an gesunden Kindern herum, das tut man nur, wenn sie krank sind, wo man dieses fürchterliche Risiko tragen muss.
Meine Familie war darüber nicht gerade erfreut, aber dank des räumlichen Abstands hatte ich nur mit dem Beschneidungsdruck zu tun, wenn wir telefonisch Kontakt hatten oder bei den alljährlichen Besuchen. Sie beginnen damit jedes Mal, wenn wir Kontakt haben. Jedes einzige Mal.
Jetzt ist Michael 8 Jahre alt, und wir haben noch einen Jungen bekommen, Kristoffer, der jetzt ein Jahr ist. Er wurde mit Atmungsproblemen geboren und war am ersten Tag im Respirator. Trotzdem konnte es meine Mutter nicht sein lassen, mich eine Stunde nach der Geburt zu der Beschneidung zu drängen, als ich in der Kinderklinik mit Kristoffer lag.
Ich habe glücklicherweise einen guten und unterstützenden Mann, der mit mir völlig einer Meinung ist, und das gibt mir die Kraft hinter meine Jungen zu stehen. Wenn ich meinen Mann nicht gehabt hätte, oder immer noch nah bei meiner Familie in Holland leben würde, weiss ich nicht, ob ich stark genug gewesen wäre. Und es war nicht nur ein einziges Mal, dass Druck auf mich ausgeübt wurde, sondern andauernd, und sie machen weiter.
Die Manipulationen sind vielfältig, und sie gehen von „die Jungen werden es dir vorwerfen, wenn sie gross sind“ bis „dann kommen sie nicht in den Himmel“ bis „jetzt mach schon, du bist doch sonst ein kluges Mädchen“ usw. usf. Ich liebe meine Familie sehr, und sie liebt mich, und sie sind gute Menschen. Aber ich würde mir wünschen, dass sie dieses unnötige Ritual aufgeben könnten, weil es nur Risiken birgt und für nichts von Nutzen ist.
Von meinem türkischen Bekanntenkreis (besonders in Holland, weil ich nicht so viele in Dänemark kenne) weiss ich, dass viele türkischen Mädchen/Frauen ihre Kinder beschneiden lassen, weil sie müssen, und nicht weil sie das gerne möchten. Die allermeisten sind nicht stark genug, um dem Druck zu widerstehen. So entsteht ein böser Kreis, der nur durch eine gesetzliche Bestimmung gebrochen werden kann, genau wie der Bürgervorschlag von Intact es möchte. Darum unterstütze ich ihre Arbeit und damit auch alle männlichen Kinder, die noch von nichts etwas wissen, und die nicht um eine wie auch immer geartete Veränderung an ihren perfekten Körpern gebeten haben.